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Kapitel 7

Ich finde, so ein verantwortungsvoller Posten wie meiner sollte mit einer angemessenen Mittagspause vergütet werden. Für die paar Stunden setze ich den Hausmeister auf meinen Stuhl, damit es nicht so aussieht, als daß wir unsere Pflichten vernachlässigen würden (sic!). Ich erkläre ihm, daß er nur darauf achten muß, daß der Hörer nicht aus Versehen auf der Gabel landet. Er ist einverstanden und ich verschwinde.

Zuerst die Bank. Ich lasse mir 20 Mark in Zehnpfenningstücke wechseln und frage dann nach meinem Kontostand. Während der Angestellte noch tippt, ziehe ich unauffällig den Netzstecker von seinem Endgerät. Es stirbt natürlich, und ich sage daß ich in Eile bin und daß ich gerne den Manager von diesem Sauladen sehen möchte. Er walzt durch die Tür wie ein gut gefüttertes Riesenbaby und fragt mich, ob es ein Problem gäbe. Ich sage, alles, was ich wolle, sei mein Kontostand und ob das denn zuviel verlangt sei und daß ich immer noch in Eile sei. Dann kreuze ich die Finger. JA! Er findet das herabhängende Netzkabel, steckt es wieder rein und loggt sich ein, MIT DEM MANAGER ACCOUNT. Ich taumele wie zufällig an den Schalter und stosse aus Versehen 200 Zehnpfenningstücke hinunter. Der Manager beachtet mich nicht, aber alle anderen tauchen nach den Münzen. Ich beobachte ungestört, wie er sein Passwort eintippt - mit der halsbrecherischen Geschwindigkeit von einem Zeichen pro Sekunde! Gar kein Problem, der Hardliner macht es mir sogar noch leichter, indem er ein semantisches Wort als Passwort gewählt hat: ZINSEN. So ein Scherzkeks! Ich verziehe keinen Gesichtsmuskel. Nicht ganz einfach, wenn ich an meine überschuldete Hypothek denke. Heute Nacht werde ich da einiges richtigstellen... Ein Benutzer den ich noch vom D(eletion)-Day '94 kenne, nähert sich, um mich anzuquatschen. Sogar der Manager schüttelt abwehrend den Kopf, aber es ist zu spät. Er hält direkt vor mir und richtet das Wort an mich!

"Ähm, Entschuldigung. Könnten Sie mir einen Tip geben, welchen Computer ich am besten für meine Diplomarbeit kaufe?"

?!?!?! Genau. "Schon mal vom neuen Pentium gehört?" frage ich.

"Ja..."

"Meiden Sie den wie die Pest! Kaum jemand weiß das, aber man handelt sich fürchterliche Probleme ein, wenn man ein Betriebssystem so schnell laufen läßt. Manche von den Kisten machen über 100 Millionen obstructions per second. Sie können sich ja vorstellen, daß da eine solch billige Kiste aus dem Takt kommen muß, nicht? Die Katastrophe ist praktisch vorprogrammiert!"

"Oh!"

"Nehmen Sie lieber was Sicheres und Bewährtes. Ein ZX81 mit dem doppelten Cassettenlaufwerk, wenn Sie das kriegen können. Im Vertrauen: Die sind nicht mehr leicht zu bekommen, weil alle Leute, die wirklich was davon verstehen, natürlich nur bewährte Technik kaufen. Kaufen Sie bloß keine Harddisk dazu. Sie haben doch sicher schon gehört wie oft die kaputtgehen? Cassetten dagegen halten ewig!"

"Danke, super!"

"Keine Ursache! Wie war doch noch gleich Ihr Username?"

Er sagt ihn mir.

Gerade noch rechtzeitig für D-Day 96. Man sollte meinen, daß sie's irgendwann lernen!

Zurück an meinem Arbeitsplatz finde ich den Hausmeister - eingeschlafen vor dem Terminal. Ich frage ihn, ob er nicht lieber hier arbeiten möchte, aber er lehnt dankend ab. Hier hat er nicht die Möglichkeit, Leute in der Toilette aufzuschrecken... Ich lege den Hörer zurück auf die Gabel und sofort klingelt es. Ich hasse es, wenn es das tut. Ich brauche immer eine Ewigkeit, die Earphones nachher wieder reinzupfriemeln.

Diesmal ist es anders. Die heißeste Mieze auf dem Campus ist dran - und sie hat ein Computerproblem! Ich liebe solche Augenblicke. Sie machen den Job erst zu dem, was er ist.

"Wie ist Ihr Username?" frage ich - als ob ich es nicht auswendig wüßte. So schnell ich kann, überfliege ich ihre persönliche email - das meiste nur todlangweiliges Zeug - und grepe die gesamte User email nach ihrem Usernamen. Nichts - vortrefflich! "Wie kann ich Ihnen helfen?" flöte ich charmant.

"Ich kann mein Dokument nicht abspeichern. Es sagt etwas mit zuwenig Speicherplatz."

"Das werden wir gleich haben" sage ich und lösche alle anderen Files auf ihrer Platte - außer den ihrigen natürlich. "Jetzt sollte alles funktionieren..."

"Oh, vielen, vielen Dank" haucht sie ins Mikrophon.

Ich notiere mir, daß ich morgen wieder etwas an ihren Account herumdoktere.

Das Telephon läutet, fast bevor ich es wieder auf der Gabel habe.

"Meine Daten sind alle weg!" schreit jemand am anderen Ende.

"Wann war das?" frage ich.

"Gerade eben..." sagt er schluchzend.

"Aha. Tja, Kopf hoch. Es sind noch drei Tage bis zum Semesterende. Wenn Sie Tag und Nacht dran bleiben, werden Sie schon noch eine Drei minus schaffen."

Er schluchzt noch zwei- dreimal leise und legt auf. Schwächling!

Das Telephon läutet schon wieder!

"Der Bildschirm an meinem PC ist so schwach. Ich kann kaum die Buchstaben erkennen. Sollich den Helligkeitsregler hochdrehen?"

"NEIN!" schreie ich."Fassen Sie den Knopf nicht an! Haben Sie auch nur die leiseste Ahnung, was da für eine Strahlung 'rauskommt, wenn Sie den Knopf ganz zum Anschlag drehen?!"

"Also ich .." sagt sie verunsichert.

"HÖREN SIE AUF MEINEN RAT!" sage ich. "Es gibt nur einen SICHEREN WEG, ein schwaches Display aufzumöbeln, und das ist: Nadelenergieimpulse in die Treiber geben!"

Die Worte 'Nadelenergieimpulse ' und 'Treiber' sind zuviel für sie. Wenn Leute solche Ausdrücke hören, gehen sie automatisch in 'dummy mode' und machen ALLES, was ich sage. Ich könnte ihr jetzt vorschlagen, nackt und nur mit einem Netzkabel bekleidet über den Campus zu sprinten und sie würde es wahrscheinlich machen... Hmmmm.

"Haben Sie zufällig ein übriges Netzkabel 'rumliegen?"

"Nein..."

"Oh, naja. Dann müßen wir das mit den Nadelimpulsen probieren... Also, Sie schalten jetzt, so schnell Sie können, Ihren PC ein und aus. Einfach den Kippschalter hin und herflippen, verstehen Sie? Etwa dreißig mal."

"Soll ich vorher meine Disketten 'rausnehmen?"

"NEIN! Wollen Sie alle Ihre Daten verlieren?!"

"Oh. Nein, natürlich nicht. Also..."

Ich lausche gespannt.

... klick klack klick klack klick klack klick klack klick klack kl - BUMM!

Erstaunlich! 27 oder 28. Normalerweise macht sich das Netzteil schon nach dem achten oder neunten Mal in die Hose!

"MEIN COMPUTER! ER RAUCHT!" schreit sie an anderen Ende.

"Wirklich?? Da muß ein Fehler im Netzteil gewesen sein! Gut, daß wir das geklärt haben! Haben Sie noch Garantie auf die Maschine?"

"NEIN!"

"Du liebe Güte! Was für ein Pech! Tja, dann hilft nur reparieren lassen. Haben Sie wenigstens Ihre Daten gesichert?"

"Ja, ins System, gestern erst. Aber die ganze Arbeit von heute morgen ist futsch!"

"Sie Ärmste! Wie war Ihr Username? Ich will gleich mal checken, ob Ihre Backups ok sind..."

Sie sagt ihn mir...
 
 
 
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30.10.01