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Kapitel 14 - Der B.O.F.H. hat ein Beurteilungsgespräch

Als ich an diesem hektischen Nachmittag zur Arbeit komme, erwartet mich eine E-Mail, die mich zu einem Beurteilungsgespräch im Rahmen des Vorgesetztenbewertungsprogramms einlädt. In der E-Mail steht noch, daß ich zufällig ausgewählt worden bin. Mein Abteilungsleiter ist überrascht, denn er erinnert sich deutlich daran, meinen Namen von der Liste gelöscht zu haben. Nun, "Zufall" kann so ein irreführendes Wort sein.

Später gehe ich zu dem Gespräch mit einem Menschen vom Vorstand und einem Herrn Grau (der Name paßt vollkommen).

"Simon, ich denke, sie wissen, worum es bei diesem Gespräch geht?" lächelt Grau.

"Ja. sie wollen herausfinden, daß mein Abteilungsleiter fast immer in der Lage ist, sich an seine Telefonnummer zu erinnern."

"Nein, ich denke, so schlimm wird es nicht." gluckst Grau.

Der Mann vom Vorstand scheint sich unwohl zu fühlen.

"Sein eigener Anschluß. Nicht die Büronummer. Die hat nur vier Stellen. Das ist nur eine Endung."

"Ja, gut. Er ist ja nicht umsonst in seiner Stellung!"

"Oder verwandt mit dem Chef oder seiner Frau. Oder er spielt Golf im gleichen Club. Oder er kennt jemanden, der im gleichen Club ist. Oder er weiß, wie ein Golf-Club aussieht ..."

"Es sieht aus, als hätten sie keine besonders gute Meinung von Ihrem Vorgesetzten."

"Nein."

Der Vorstandsmann fühlt sich jetzt wirklich unbehaglich.

"Aus welchen Gründen?"

"Nun, seien wir ehrlich. Bevor er hier anfing hat er Pappkartons in einer Fabrik gefaltet, die für ihre gebackenen Bohnen bekannt ist."

"Aha. Und seine Netzwerkerfahrungen?"

"Hat er, weil er der zweite Cousin der Frau vom Chef ist." antworte ich.

"Aha."

"Mal ganz ehrlich, der Mann könnte keine Lampe untersuchen und das Stromkabel identifizieren, von einem Netzwerk ganz zu schweigen. Als ich ihm sagte, wir sollten ATM und passende Karten im Computerraum installieren, bestellte er eine neue Barclay´s-Karte. Ich sagte ihm, daß wir eine Internet-Firewall haben, und er fragte, ob es auch ein Feuerlöschgerät dafür gibt."

"Ich verstehe. Möglicherweise hat er mehr Erfahrung, wenn es um die Planung geht, wie man das von einem Abteilungsleiter erwartet?"

"Vielleicht. Ich wundere mich jedoch noch immer, weshalb er sich bei mir bedankte und meinte es gehe ihm gut, als ich ihn nach einer besseren Glasfaserverkabelung [fibre] fragte."

"Ach so. Was erwarten sie denn von jemandem in dieser Position?" will Grau wissen.

"Die Fähigkeit zu addieren, zu subtrahieren, lesen und schreiben ohne sich auf die Zunge zu beißen. Die Intelligenz, seinen Namen unter alles zu schreiben, das ich ihm vor die Nase halte, unabhängig davon, wie seltsam es klingen mag."

"So, sie meinen, daß er nichts weiter sein soll als ein Ja-Sager."

"Genau."

"Nun, wir sind uns einig, daß wir dem nicht zustimmen. Sie können doch nicht ernsthaft erwarten, daß er alles unterzeichnet ohne es zu prüfen. Mit einer kleinen Wartezeit von ein paar Tagen für eine Prüfung muß man leben können. Was ihr Verhältnis zueinander betrifft, nun, auch wenn ihr Abteilungsleiter nicht unbedingt die Idealbesetzung für diese Stelle zu sein scheint, so ist ihr Urteil doch ziemlich ungerecht und übertrieben."

"Hmmm." sage ich besorgtes Nachdenken simulierend. "Ich glaube, wir haben da eine Sackgasse erreicht."

Dann stehe ich auf und gehe.

Auf dem Weg nach draußen höre ich, wie der Mann vom Vorstand Grau davor warnt, den Fahrstuhl oder irgendein anderes Gerät zu nutzen, welches von Computern kontrolliert wird. Dafür hat er Strafe verdient ...

...

Später, gegen 18:17 Uhr sehe ich im Überwachungsmonitor, wie sich ein Schatten von den anderen löst und sich an der Tür zu schaffen macht.

Ein paar Tastatur-Klicks - die Drehtür bleibt in Mittelstellung stehen und der Sicherheitsalarm geht los.

Zwanzig Minuten später gehe ich die Treppen hinunter und tue so, als wollte ich das Haus verlassen. Eine kleine Menschenmenge hat sich um die Drehtür versammelt und schaut den Sicherheitsleuten zu, die sich abmühen, den gefangenen Grau zu befreien. Ich lächle wohlwollend, als Grau mich sieht.

"Keine Angst", sage ich. "Wir können ja noch das Glas einschlagen, um sie zu befreien."

"Das ist Panzerglas", wirft ein Wachmann ein. "Man müßte schon mit einem Auto dagegenfahren. Ich befürchte, das wäre nicht gut für ihn."

"Es gibt immer eine Möglichkeit für den Notfall", sage ich hilfreich.

"Irgendetwas ging schief. Der ganze Kontrollmechanismus ist tot." kommt die Antwort.

"Wirklich?" frage ich und schaue Grau an. "Nun, der Wartungsvertrag war Teil meiner Anforderung, DIE MEIN ABTEILUNGSLEITER HEUTE NICHT GENEHMIGEN WOLLTE. EINE KLEINE WARTEZEIT VON EIN PAAR TAGEN WIRD DOCH NIEMANDEN UNGLÜCKLICH MACHEN."

Der Wachmann murmelt etwas. "Wir dachten, wir könnten einfach die Kabel durchtrennen, damit die Türverriegelung freigegeben wird, und ihn dann rausholen."

"Wenn das so einfach wäre, dann könnte jeder Einbrecher hier reinkommen", erkläre ich. "JETZT IST DIE INTERNE BATTERIE AKTIV, DIE UNABHÄNGIG VOM REST DER STROMVERSORGUNG LÄUFT. ES DAUERT 48 STUNDEN, UM SIE ZU ENTLADEN."

"Was können wir tun?" will der Wachmann wissen.

"Nun, Tacos und Käsescheiben würden ganz gut passen."

"Hä?"

"Um sie ihm unter der Tür hindurchzuschieben. Er muß ja etwas essen! ICH HOFFE NUR, ER MUSS NICHT ZUR TOILETTE. ICH KÖNNTE ES NICHT AUSHALTEN, 48 STUNDEN IN EINER GLASKABINE EINGESPERRT ZU SEIN, IN DIE JEDER HINEINSCHAUEN KANN, UND NUR MEINE AKTENTASCHE DABEIZUHABEN."

Das Leben kann grausam sein, wenn du versuchst, nicht auf das zu hören, was andere dir sagen ...
 
 
 
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12.2.06