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Kapitel 18 - Der B.O.F.H. sorgt mit einer kleinen Bestechung für einen Zusammenbruch seines Chefs ...

An einem ruhigen Morgen werde ich vom Pförtner angerufen. Neues Equipment ist angekommen und nun muß ich sagen, wohin es gebracht werden soll. Ich brauche ein paar Sekunden, um mich an das Essen mit dem Verkäufer im ´Luigi´s´ zu erinnern und die wortreichen Versuche meinerseits, ihn aus seiner mißlichen Lage zu befreien, als er kein Geld mehr hatte ... Seine beiden Vorderzähne waren aus Gold. Möglicherweise konnte er sich mit dem Restaurant einigen. Oder er hat etwas herausgefunden ...

Das bedeutet möglicherweise, daß unser technischer Direktor nun extrem hochgezüchtete Hardware besitzt, die geeignet ist, alle Geräte zu überfordern, in die sie eingebaut wird.

Da ich keine Ahnung habe, was eigentlich geliefert wurde, sollen sie die Sachen erst einmal zum technischen Direktor bringen. Immerhin steht ja ´seine´ Unterschrift unter der Bestellung ...

"Es ist aber sehr viel ..." sagt der Pförtner. "Der Platz im Lift wird kaum ausreichen." Ich sage, daß sie es in den Lift schaffen sollen, dann bereite ich mich darauf vor, dem Untergang des technischen Direktor beizuwohnen.

Fünf Minuten später ist der Lift mit hundert glänzenden Schachteln und Schächtelchen unterwegs.

Der technische Direktor scheint sehr verwirrt zu sein. Mit einem Budget ausgestattet, das gerade für ein paar Schachteln Chips reicht, ist er wirklich besorgt über die Lieferung dieser bunten Schachteln. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn er ist ja der einzige, der für Technik Geld ausgeben darf.

Ich warte, bis er die Rechnung und die beigeheftete Bestellung sieht. Seinem Blick zufolge scheint ihn ein mächtiges Problem zu beschäftigen.

"Das muß ein Irrtum sein!" ruft er, als ein besonders besorgniserregend blickender Buchprüfer mit dem Inventarverzeichnis hereinkommt.

"Das ist die neue Technik?" fragt er.

"Es scheint so", antowrte ich. "Aber ich dachte, wir hätten kein Geld mehr?"

"Haben wir auch nicht." plärrt der technische Direktor.

"Wenn das so ist", frage ich und deute auf ´seine´ Unterschrift, "Warum haben sie dann diese Sachen bestellt?"

"Habe ich doch gar nicht", beteuert er mit 28.8 bps (Beteuerungen pro Sekunde). Ein kleiner Auflauf interessierter Zuhörer hat sich gebildet, so daß ich um Ruhe bitte.

"Und das auch noch, nachdem sie die Wünsche nach einer besseren Klimaanlage abgelehnt haben!"

Das Murmeln der Ablehnung zeigt den Grad der Zustimmung an, die der technische Direktor jetzt noch erwarten kann (eine beliebig große Zahl multipliziert mit Null). Dieses feindselige Publikum ist nicht empfänglich für Ausreden, ganz besonders nach den ´extremen Wetterschwankungen´ des vergangenen Jahres.

In seiner Verzweiflung meint er einen rettenden Strohhalm gefunden zu haben: "Hey! Diese Bestellung ist sechs Monate alt. Damals war ich doch noch gar nicht hier!" ruft er.

"Bestellungen zurückdatieren, um dem Inventar-System zu entkommen!" rufe ich.

Die Augen des Buchprüfers leuchten auf wie ein Weihnachtsbaum, als er sich den Ruhm vorstellt, den er mit der Aufdeckung dieses Betruges ernten kann.

"Aber ... Ich ..." fleht der technische Direktor.

Ich nehme mir eine Schachtel und sorge für etwas mehr Druck: "ATM-Karten für XT-kompatible. Wie nützlich."

Die Ablehnung wird lauter. Der technische Direktor gibt alle Versuche, den Unschuldigen zu spielen, auf und versucht etwas anderes.

"Wir haben eine Menge altes Equipment!" keucht er. "Die Karte kann DOS beschleunigen!"

Er ist eingekreist und hat keine Aussicht auf einen Ausweg. Ich weiß es, er weiß es. Die Belegschaft weiß es.

"Was zum Henker ist denn das?" frage ich und deute auf die Rückseite des Stapels im Lift.

Der technische Direktor eilt in der Hoffnung hinein, weitere Schwierigkeiten verstecken zu können.

"Was?" fragt er, als ich ihn einhole.

"Oh, nichts, einfach all das. Der Buchprüfer, die Belegschaft, diese nutzlose Hardware. Alles. Das ist nicht gut für einen Karrieremenschen, wissen sie."

"Aber, ich ..."

"Ich meine, wenn ihr Chef etwas davon erfährt ..."

Wortlos steht er einfach nur da.

"Andererseits, wenn all dies hier einfach verschwinden würde ..."

Ein Hoffnungsschimmer erscheint am Horizont.

"Verschwinden?"


"Wie ein böser Traum." bestätige ich.

"Wie?"

"Nun, sie geben mir die Rechnung und dann unterschreiben sie diese Bewilligung für einen Fortbildungskurs."

Er liest sich die Kursbeschreibung durch:

"Aber das ist ein Zwei-Wochen-Kurs in Amerika, in dem es um Grundlagen von Netzwerken geht. Sie wissen das doch alles schon."

"Dann werde ich viel Zeit zum Vertiefen haben, oder?"

"Aber ..."

"Oh, ist das nicht eine ATM-Karte für den Commodore C-64?"

"In Ordnung. In Ordnung."

Er unterschreibt die Unterlagen und wir verlassen den Lift. Ich lege alle Schachteln wieder zurück in den Lift, gehe in mein Büro und rufe den Pförtner an. "Irgendetwas stimmt nicht mit dem Lift!" erkläre ich und nutze dessen Service-Konsole um seine Beschleunigung ein wenig über die rote Linie hinaus zu erhöhen.

Als ich wieder beim Lift ankomme, steht der Buchprüfer noch immer da. Er hat offensichtlich etwas dagegen, den Lift abfahren zu lassen.

"Sie meinen, das hier sieht schlimm aus", sage ich zu ihm. "Dann sollten sie erst einmal sehen, was noch alles beim Pförtner liegt!"

Die Halteverriegelung löst sich mit einem Klick, als er zum Pförtner verschwindet. Genau 23 Sekunden später hört man im gesamten Gebäude den Aufprall eines mit Waren vollbeladenen Lifts im 2. Kellergeschoß.

Sowie die Sirenen der Krankenwagen näherkommen, beginne ich damit, mir Reisebroschüren anzuschauen, um einen netten Platz für meinen ´Auffrischungskurs´ zu finden. Dann rufe ich unsere Versicherung an, um sie über den Unfall, durch den all diese moderne Technik vernichtet wurde, zu informieren ...
 
 
 
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12.2.06